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Die Beschreibungen von Outdoor-Jacken lesen sich
wie ein gutes Buch. Klar, wer bis zu 600€ für eine Jacke ausgibt muss
gegenüber einem kritischen Kleingeist (oft in Person der Eltern oder
Lebensabschnittsgefährten anzutreffen) die richtigen und stichhaltigen
Argumente parat haben. Da geht man auf Seiten der Hersteller kein Risiko ein und
liefert dies dem Käufer einfach, am Ärmel baumelnd, mit. Gerne ließt der
finanziell erleichterte Wanderfreund von Materialien, die seinen Körper vor
eindringendem Regen schützen und seinem ehrlichen Schweiß trotzdem nach außen
leiten, damit der Körper immer trocken ist. Es werden Details von Mikroporen
und Millimeter Wassersäule erklärt und die Wirkungsweise in bunten Bildern
dargestellt. Interessant ist, dass diese Zettel, die sich gerne auch in großer
Zahl an einem derartigen Kleidungsstück befinden, gar nicht vom Hersteller der
Jacke kommen. Vielmehr liefert der Produzent des genialen Materials seine eigene
Werbung mit, die dann weiter bis zum Endkunden durchgereicht wird. Damit ist
auch sichergestellt, dass die Geschichte bei den verschiedenen Stationen nicht
verändert wird. Jeder, der im Kindergarten schon einmal 'Stille Post' gespielt
hat weiß wovon ich rede. In den Preisregionen, in denen die Endprodukte
verkauft werden, kann man sich von Seiten der Industrie einen solchen Faupax in
keinem Fall leisten. Also setzt sich der Erzeuger des betreffenden
Ausgangsmaterials mal auf einen Nachmittag hin - oder beauftragt eine
Werbeagentur - und schreibt alles einmal schön auf. Das ganze wird dann gleich
in alle gängigen Sprachen der Erde übersetzt - man will ja den globalen Markt
adressieren. In letzter Zeit ist allerdings eine Entwicklung in Gang gekommen,
die den Herstellern von den wasserfesten und doch atmungsaktiven Materialien so
gar nicht gefallen dürfte: Die Outdoor-Jacken-Hersteller bauen unter den
Achselhöhlen der Jacken Reißverschlüsse ein. Mit diesen Reisverschlüssen
kann man die Jacken dann von kurz oberhalb des Ellenbogen, bis hinunter kurz
unterhalb des letzten Rippenbogens öffnen. Die Argumentation, warum man so
etwas unbedingt braucht, ist schnell zusammengesponnen: Unter den Achseln bildet
sich pro Quadratzentimeter der meiste Schweiß am Oberkörper. Mittels dieser
Reißverschlüsse lässt sich eine optimale Belüftung der Problemzonen
herstellen. Und genau hier bekommt die so sorgsam gesponnene Geschichte der
regendichten und doch atmungsaktiven Outdoor-Bekleidungsfirma einen Riss. Hier
haben die Marketingstrategen der Tex- und Tech-Hersteller schlichtweg gepennt.
Wenn die Materialien doch so atmungsaktiv sind und sogar einen 'Extended Comfort
Range' besitzen - warum brauch man dann bitteschön eine extra Belüftung? Ich
verfolge momentan herzu noch zwei Theorien: Die erste besagt, dass die
Hersteller von Reißverschlüssen die Hersteller der Outdoor-Jacken dazu
angestiftet hat. Das Motiv ist ganz klar - mehr Reisschlüsse zu verkaufen.
Hauptverdächtig sind im besondern diejenigen Hersteller der wasserdichten
Reißverschlüsse, da hier die höchsten Gewinne erzielt werden. Meine zweite
Theorie ist noch radikaler und stellt den gesamten Glauben an die regendichte
und doch atmungsaktive Bekleidungsindustrie in Frage. Ist es eventuell doch so,
dass sich die physikalischen Grundgesetze doch nicht übers Ohr hauen und dich
ein geniales Material umgehen lassen? Schwitzt man als Outdoor-Aktivist doch
mehr als die kleinen Poren nach außen transportieren können? Und war es nicht
einfach die Erfahrung aus der Praxis, die die Hersteller der regnerischsten und
doch atmungsaktiven Outdoor-Jacken zu diesem - im wahrsten Sinne des Wortes -
einschneidenden Schritt gezwungen hat? Da diese Theorie den Fortbestand eines
ganzen Industriezweigs zur Folge haben könnte, bin ich gerne bereit diese
Theorie nicht weiter zu verfolgen. |